Translater:
Generation Praktikum
Das
Praktikum-Unwesen hat einer ganzen Epoche seinen Stempel
aufgedrückt. Angesichts der prekären Arbeitsmarktlage
(hervorgerufen durch das globale Dumpingsystem = Abbau der
Zölle) gehört die Lohndrückerei heute zum grauen
Alltag.
Mit allen Mitteln versuchen windige Geschäftemacher, Mitarbeiter
um ihren gerechten Lohn zu bringen. Den Mißbrauch findet man
heute nicht nur beim Praktikum, er hat sich bereits in allen
Bereichen der Wirtschaft etabliert (Zeitarbeit, 1-Euro-Jobs,
Minijobs, Werksverträge, Scheinselbständigkeit,
Akkordarbeit usw.).
Der Mensch ist ein Gewöhnungstier - sicher. Aber dennoch ist es erstaunlich, wie sehr sich eine ganze Generation damit abfindet, von Firmen ausgebeutet zu werden. Nahezu widerstandslos akzeptieren viele junge Leute indiskutable Praktikantenstellen, die nur darauf abzielen, hochmotivierte Mitarbeiter für fast umsonst unter Vertrag zu nehmen.
Zahlreiche Firmen nutzen diesen modernen Menschenhandel, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und damit die lästige Konkurrenz ausbooten zu können. Wer als Unternehmer bei diesem bösen Spiel nicht mitmischt und seinen Leuten faire Löhne zahlt, hat oft das Nachsehen. Der Anständige ist wieder einmal der Dumme - weil nationale Regierungen sich scheuen, das globale Dumpingsystem in seine Schranken zu verweisen.
Generation
Praktikum:
Warum
lassen sich die jungen Leute das gefallen?
Man
fragt sich, warum sich die jungen Leute derart vorführen und
erpressen lassen. Wenn schon viele Unternehmer kein Ehrgefühl
mehr zu haben scheinen, so sollten doch zumindest die Arbeitsuchenden
selbst die Praktikum-Perversion ablehnen und sich nicht unter Wert
verkaufen. Aber derlei moralische Appelle erscheinen zynisch
angesichts der Notlagen, in der sich die meisten Beteiligten
befinden.
Wenn nun einmal der Arbeitsmarkt viel zu wenig hergibt, wenn allein in Deutschland bei seriöser Rechnung an die zehn Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs fehlen, dann funktioniert eben das marktwirtschaftliche System von Angebot und Nachfrage nicht mehr.
Wer
etwas aus seinem Leben machen will, wird sich kaum damit abfinden
wollen, den beruflichen Werdegang mit einer Langzeitarbeitslosigkeit
zu starten - wohl wissend, aus dieser Abseitsfalle unter
Umständen nie wieder herauszukommen. So wie der Ertrinkende nach
jedem Strohhalm greift, klammert sich auch der Erwerbslose an die
Versprechungen, mit denen ausgebuffte Personalchefs ihr Praktikum
schmackhaft machen.
Immer schwingt die Hoffnung mit, am Ende doch einmal Glück zu
haben und für den gezeigten Einsatz mit einer Festeinstellung
belohnt zu werden. Unausrottbar auch die Hoffnung, durch das
Praktikum wertvolle Erfahrungen sammeln zu können, die sich im
späteren Berufsleben auszahlen könnten.
Generation
Praktikum:
Warum
greift der Staat nicht ein?
Deshalb
trägt die Schuld am abscheulichen Praktikanten-Missbrauch nicht
die Arbeitsuchenden selbst und auch nur zum Teil die ausbeuterischen
Unternehmer (die in kapitalistischer Manier oft nur ums eigene
Überleben kämpfen) - verantwortlich für das
Desaster ist hauptsächlich der Staat.
Er dürfte diese Machenschaften überhaupt nicht zulassen,
schon um zu verhindern, dass sich in der Wirtschaft
menschenverachtende Ausbeutungsmethoden immer weiter
durchsetzen.
Aber würden die Regierungen einfach das Unwesen beim Praktikum verbieten bestünde die Gefahr, dass die geschönten amtlichen Arbeitslosenzahlen rasch in die Höhe schnellen. Das wäre für die Regierenden der Supergau, da nimmt man doch lieber das vermeintlich kleinere Übel, das Praktikum-Unwesen in Kauf.
Und manch ein Abgeordneter bildet sich dabei vermutlich auch noch ein, volkswirtschaftlich verantwortungsbewusst zu handeln. Denn tragen nicht die vielen kaum entlohnten Praktikantenstellen sowie die Ein-Euro-Jobs dazu bei, dass teure Vollzeitjobs erhalten bleiben? Weil nämlich zahlreiche Unternehmer sich längst auf eine Art Mischkalkulation eingestellt haben? Demnach retten die Badjobs die hohen Löhne der Stammbelegschaft - unterem Strich ist die Produktion dann kaum teurer als in Osteuropa.
Letztens wurde im Fernsehen eine pikante Erfolgsgeschichte präsentiert: Die Herstellung eines hochwertigen Trampolins für den Heimbedarf wurde von China zurück nach Deutschland verlagert. Doch wer angesichts dessen an eine Kehrtwende oder das große Wunder glaubte, wurde bitter enttäuscht: Möglich war diese Zurückführung nur, weil die Montage von heimischen Ein-Euro-Kräften ausgeführt wurde (die können mit den asiatischen Billiglöhnern mithalten).
Generation
Praktikum:
Mit
einem Federstrich ließe sich der ganze Spuk
beenden...
Niemand
soll sagen, dem Staat wären die Hände gebunden, es
gäbe keine Lösung für ein derart komplexes Problem.
Eine solche Darstellung halte ich für verlogen und unlauter.
Denn die Lösung wäre denkbar einfach:
Es
genügt, allein den unsäglichen globalen Dumpingwettbewerb
auszuschalten!
Man
bräuchte also nur die Zölle wieder anheben und alles
würde sich wieder richten!
Denn bei angemessenen Zöllen (wie man sie während der Wirtschaftswunderjahre nach dem 2. Weltkrieg hatte) lässt der irrationale Konkurrenzdruck von außen spürbar nach, da lohnt es sich sogar, wieder selbst Textilien, Kühlschränke, Fernseher, Computer usw. im eigenen Land zu produzieren (weil Zölle die Billigimporte spürbar verteuern würden).
Und würden wir unsere Produkte, die wir täglich konsumieren, zum Großteil wieder selbst herstellen, dann gäbe es natürlich auch genug Arbeit für alle. Da würden die Unternehmer händeringend nach Arbeitskräften suchen, da wären Abartigkeiten wie schlecht bezahlte Praktika oder Ein-Euro-Jobs einfach undenkbar, da wäre es so wie früher, als wir noch richtige Zölle hatten (von 1950-1975).
Der einzige Haken: Die Spekulanten und das Großkapital sind gegen eine solche durch Zollgrenzen geschaffene globale Chancengleichheit, die das einträgliche "kapitalistische Ermächtigungsgesetz" wieder zunichte machen würde. Und das Großkapital hat nun einmal einen sehr großen Einfluss auf die Politik, verfügt über viele Lobbyisten im Bundestag und anderen Schaltzentralen der Macht, unterstützt die Parteien usw.. Wie sollte man unter diesen Gegebenheiten eine Veränderung erwarten dürfen?
Die Vertreter der Kapitallobby (dazu gehören zum großen Teil auch die privaten Medien) versuchen natürlich mit allen Mitteln, ihren Standpunkt zu rechtfertigen und versuchen der Bevölkerung einzureden, unser Wohlstand sei abhängig vom Export.
Eine herzliche Bitte: Sollte Ihnen dieser Artikel (https://www.kapitalismus-online.de/generation-praktikum.html) gefallen haben, empfehlen Sie ihn bitte weiter. Denn nur die allgemeine Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für notwendige Veränderungen. Es dankt Ihnen Manfred J. Müller
"Die Corona-Krise beweist einmal mehr, wie abartig lange länderübergreifende Lieferketten sind. Auch die Ausbreitung einer Pandemie war angesichts der Radikalisierung der Globalisierung nur eine Frage der Zeit." (Manfred Julius Müller)
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Impressum
©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
Juli 2009
Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Demokratie, Kapitalismus und Politik.
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred Julius Müller
Geht
es in unserer Demokratie am Ende nur um den Machterhalt der
etablierten Parteien? Damit sich an eingefrorenen
Grundsätzen (EU, Euro, Zollfreihandel, Kriegsbeteiligungen,
antinationale Multikulti-Ideologie usw.) nichts ändert? Auch
wenn dadurch sich der seit
1980 anhaltende Niedergang
Deutschlands
weiter fortsetzt?