Translater:
Fragment
der Berliner Mauer
Funktioniert der Kommunismus doch?
Hat der Kommunismus noch eine Chance, gibt es eine Alternative zum Kapitalismus?
Angesichts
des chinesischen Wirtschaftswunders reiben sich viele Ökonomen
erstaunt die Augen und fragen sich, ob der Kommunismus vielleicht
doch funktionieren könnte. Um diese Systemfrage zu beantworten,
scheint mir China ein schlechtes Beispiel. Denn in China läuft
es bekanntlich erst, seitdem die strenge kommunistische Lehre nicht
mehr gilt und man sich Schritt für Schritt dem Kapitalismus
zuwendet.
Zwar erleichtert in dieser Phase des Wandels (etwa seit 1980) die
diktatorische Struktur der beherrschenden chinesischen KP die
Umsetzung der Wirtschaftsreform, aber in einer Demokratie wäre
dies sicher auch gelungen, wenn auch in einem langsameren
Tempo.
Der Nachbarstaat Indien gibt ein anschauliches Beispiel, dass auch ein demokratisch gelenktes Entwicklungsland mit Milliardenbevölkerung den Aufstieg schaffen kann.
Das
größte Handicap des Kommunismus
Was
die Erfinder der kommunistischen Lehre vor 150 Jahren nicht richtig
eingeschätzt haben und zu der damaligen Zeit mangels fehlender
Beispiele vielleicht auch gar nicht erkennen konnten, ist die
Bedeutung des menschlichen Egoismus für die volkswirtschaftliche
Entwicklung.
Die Chance auf persönlichen Reichtum und gesellschaftliche Anerkennung ist die treibende Kraft, die Menschen immer wieder zu Höchstleistungen anspornt. Das Streben nach Erfolg bringt Kämpfernaturen hervor, die sich voll und ganz der Erfüllung ihres Traumziels verschreiben, die Tag und Nacht darüber brüten, wie sie ein Produkt erschaffen, verbessern oder neue Märkte erschließen können.
Diesen enormen Kräften der Mobilisierung des menschlichen Geistes hat der Kommunismus wenig entgegenzusetzen. Die kommunistischen Länder haben versucht, diesem Dilemma zu entgehen und sich immer neue Anreize zur Leistungserhöhung ausgedacht. Es wurden Mindestnormen eingeführt, 5-Jahres-Pläne aufgestellt, Prämien und Auszeichnungen vergeben, Eliten herangezüchtet und mit Privilegien geködert - aber es brachte alles recht wenig. In der breiten Bevölkerung herrschte trotz idealisierender Propaganda weitgehende Resignation. Nachdem mehr und mehr die Illusion eines wohlstandsmehrenden Kommunismus verblasste, verfestigte sich die Abwendung und Abneigung vom eigenem Staat und seiner herrschenden Klasse.
Die Idee des Volkseigentums wich einer leistungsfeindlichen Mentalität nach dem Motto, "wie schummele ich mich durch, ohne mich groß anstrengen zu müssen". Die wachsende Gleichgültigkeit und der Egoismus der in den Staatsbetrieben Beschäftigten, gepaart mit einer wachsenden Korruptionsmentalität, hat schließlich zum Niedergang des Kommunismus entscheidend beigetragen.
Das
zweite Handicap des Kommunismus:
Die
Planwirtschaft
Als
ob der Kommunismus nicht bereits durch die ungenügende
Motivation der Bevölkerung genug gebeutelt wäre, musste mit
dem Instrument der Planwirtschaft noch ein zusätzliches
Hindernis geschaffen werden.
Wie konnte man nur annehmen, den Bedarf der Bevölkerung und der
Wirtschaft im voraus präzise berechnen und dann auch noch in
einen Einklang mit der Produktion bringen zu können?
Das
Bestreben, solche Planungen überhaupt durchzuführen,
verrät bereits das geringe Vertrauen an die eigene
Innovationskraft. Mit Neuerungen, die alte Techniken ablösen,
wurde anscheinend kaum gerechnet.
Ungenügend einkalkuliert wurde auch die Nichterfüllung von
Normen, die zu einer ewigen Mangelwirtschaft in der Zulieferindustrie
führte und oft ganze Produktionsanlagen für Tage und Wochen
stilllegte (Dominoeffekt).
Ich
verstehe nicht, warum der Kommunismus überhaupt an der
Planwirtschaft festgehalten hat. Auch staatliche Betriebe können
schließlich einen nachfrageorientierten Markt schaffen. Man
müsste lediglich akzeptieren, dass staatliche Firmen gegenseitig
in einen echten Wettbewerb treten und auch die Schließung und
Abwicklung eines unrentablen Staatsbetriebes in Betracht ziehen.
Hat man solche Konsequenzen gescheut? Wusste man nicht die aus einem
Konkurs freigesetzten Leute an anderer Stelle unterzubringen?
Das
dritte Handicap des Kommunismus:
Das
Recht auf Arbeit
Das
Recht auf Arbeit, die Beschäftigungsgarantie für jedermann,
scheint mir indes eines der größten Systemfehler des real
existierenden Kommunismus gewesen zu sein.
Sicher,
für die Arbeiter war es beruhigend zu wissen, bis zur Rente
versorgt und in den Arbeitsprozess eingebunden zu sein. Aber diese
staatliche Vollversorgung und Garantieerklärung reduziert
natürlich die Motivation vieler Arbeiter auf ein Minimum.
Wer kaum entlassen werden kann, der muss sich auch nicht sonderlich
anstrengen. Und eine Minderheit von Idealisten kann in einer solch
leistungsfeindlichen Atmosphäre wenig ausrichten.
Das zweite Riesenproblem dieser verhängnisvollen Arbeitsplatzgarantie: Die staatlichen Unternehmen hatten kein effizientes Ventil, um durch Rationalisierung überflüssig gewordene Mitarbeiter zügig abzubauen. Somit wurde der größte Nutzen des produktiven Fortschritts weitgehend verspielt.
Das
vierte Handicap des Kommunismus:
Demokratie
und Kommunismus vertragen sich nicht!
Es
ist sicher kein Zufall, dass in den kommunistischen Ländern des
20. Jahrhunderts immer nur Diktaturen am Werk waren. Das einzige
demokratische kommunistische Experiment (Chile) wurde leider von
außen gestürzt. Das ist sehr bedauerlich, denn
höchstwahrscheinlich hätte sich auch dort schnell gezeigt,
dass der Kommunismus in einer freiheitlichen Demokratie auf Dauer
nicht bestehen kann.
Die
Ursache hierfür findet sich wiederum in der mangelnden
Leistungsfähigkeit des Kommunismus. Da der Lebensstandard auf
Dauer (wegen der bereits aufgeführten Ursachen) mit dem
Kapitalismus nicht mithalten kann, können kommunistische
Machthaber sich in einem freiheitlichen System kaum behaupten. Die
Wähler würden bei den sich zwangsläufig einstellenden
Misserfolgen wieder zu den kapitalistischen Parteien
überlaufen.
Um dieser ständigen Bedrohung zu entkommen und um sich ohne
großen Erfolgs- und Zeitruck entwickeln zu können, muss
eine marxistisch orientierte kommunistische Regierung notgedrungen zu
diktatorischen Mitteln greifen.
Es kann ja auch nicht sein, dass sich konträre Wirtschaftssysteme alle paar Jahre je nach Wahlausgang abwechseln oder zumindest zur Disposition stehen. Sowohl der Kommunismus als auch der Kapitalismus brauchen ein hohes Maß an Kontinuität und Sicherheit, um sich entfalten zu können.
Das
fünfte Handicap des
Kommunismus:
Der
fehlende Gegenpol zur politischen Macht.
Leider
ist es tatsächlich so: Der Kommunismus beschert ein tiefes
Machtvakuum, weil das Kapital als Machtfaktor ausfällt. Wenn
selbst die Medien dem "Volk" gehören, ist auch von dieser Seite
kein Korrektiv zu erwarten. Denn "Volk" bedeutet letztlich
"Volksvertreter", das Volk selbst hat keinen Zugriff.
Da
also im Kommunismus den obersten Volksvertretern alle Verantwortung
aufgetragen wird, kann eine echte Opposition nirgends aufkeimen.
Etwaige Unzufriedenheiten in der Bevölkerung finden kein Ventil
und keine organisierte Anlaufstelle, Proteste und Aufstände
werden rigoros unterdrückt und niedergeschlagen.
Würde man freie Parteien zulassen, würde das kommunistische
Machtfundament schnell ins Wanken geraten. Eine kommunistische
Regierung wird das aber selten zulassen, weil sie damit ihren eigenen
Untergang besiegeln würde.
Das
sechste Handicap des Kommunismus:
Ideologischer
Starrsinn gegen wirtschaftliche Vernunft!
Letztlich
scheiterten die kommunistischen Staaten auch an ihrer
wirtschaftlichen Unvernunft. Hätten deren Regierungen den
Geschäftsleitungen der Staatsbetriebe größere
unternehmerische Freiheiten gelassen, wären die meisten
Unternehmungen wesentlich produktiver gewesen. Das sture Festhalten
an der Ideologie des stark subventionierten Grundbedarfs für die
Bevölkerung führte immer stärker zu absurden
Fehllenkungen und Missbrauch.
Stark
verbilligte Nahrungsmittel wurden ans Vieh verfüttert (weil es
billiger als Viehfutter war), mit der Energie wurde allgemein
verschwenderisch umgegangen, weil sie kaum etwas kostete. Dauerhaft
falsche (subventionierte) Preise auf breiter Front führen
eigentlich immer in den Untergang.
Auch die strenge Unterdrückung (und Enteignung)
privatwirtschaftlicher Initiativen wirkte sich verheerend aus. Aber
laut kommunistischer Grundsatzlehre sollen sich alle
Produktionsmittel nun einmal in staatlicher Hand befinden.
Das
siebente Handicap des Kommunismus:
Die
kommunistische Diktatur benötigt zur eigenen Absicherung einen
starken Geheimdienst.
Ohne
einen starken Geheimdienst kann keine Diktatur existieren. Die
Machthaber müssen schließlich wissen, wo sich Gegner
formieren und wo sich Widerstand bildet. Das bedarf auch einer
regiden Bespitzelung der eigenen Bürger, was wiederum eine
breite Atmosphäre des Misstrauens in die Gesellschaft
trägt.
Es ist ein Teufelskreis: Die für den Machterhalt unentbehrliche
Observierung der Bürger verstärkt die Abneigung und
Leistungsverweigerung gegenüber dem kommunistischen
System.
Fazit:
Funktioniert der Kommunismus doch?
Wenn
überhaupt könnte der Kommunismus nur bestehen, wenn er sich
von seiner strengen Heilslehre verabschieden würde. Dann kann
man aber kaum noch von einem Kommunismus sprechen.
Auf keinen Fall dürfte es also eine Kommandowirtschaft geben.
Alle Staatsbetriebe müssten marktorientiert und
eigenverantwortlich handeln können.
Zur Belebung des Wettbewerbs und zur Verhinderung von
Versorgungsengpässen sollten außerdem private Unternehmen
bis zu einer bestimmten Größe (vielleicht maximal 50
Beschäftigte) geduldet werden. Sollte diese
Größenordnung wegen guter Geschäftslage
überschritten werden, könnte eine staatliche
Teilhaberschaft das Problem lösen.
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Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Veröffentlicht im
März 2010.
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Anmerkung:
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