Was bringen höhere Vermögenssteuern wirklich?

Translater:


Die Produktion der Produktionsmittel

 

Das deutsche BIP (Bruttoinlandsprodukt) steigt jährlich um etwa 2 %. Entsprechend sollte sich eigentlich auch der Lebensstandard verbessern. Aber erstaunlicherweise haben sich diese beiden Werte etwa seit 1980 voneinander abgekoppelt: das BIP ist seit 1980 um real 50 % gestiegen (pro Einwohner), das reale Arbeitseinkommen aber ist abgesunken.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals im Oktober 1999 im "SW-MAGAZIN" veröffentlicht. Die Zahlen sind also nicht mehr aktuell.
Über die Vorschläge konnte der Leser anschließend schriftlich per Post abstimmen (jedem Heft lag ein Stimmzettel bei). Die Ergebnisse der Abstimmung finden Sie am Ende des Textes.

 

Wie ist dieses Phänomen zu erklären?
Sicherlich, zum einen ist dieser Umstand zurückzuführen auf die schiefe Verteilungslage. Die Globalisierung begünstigt in vielerlei Hinsicht die Reichen und Superreichen, weil deren Geld jetzt dorthin fließen kann, wo es die höchsten Renditen bringt. In der Praxis führt dies zwangsläufig zum internationalen Lohndumping und zur Erpressung der konkurrierenden Staaten (Subventionen, Steuergeschenke usw.). Doch neben der ungerechten Umverteilung bedingt ein weiterer Aspekt das beständige Auseinderklaffen von BIP und Lebensstandard: die Produktion der Produktionsmittel.

 

Aufgeblähte Investitionen
Das BIP erfaßt auch Güter, die zur Herstellung der Waren benötigt werden. Also Maschinen, Gebäude, den Fuhrpark usw. Und mit der künstlich forcierten Automatisierung fließt ein immer größerer Anteil des BIP in diesen Produktionssektor. Das eigentliche Ziel jeder Produktion, die Herstellung von Konsumartikeln, gerät dabei zunehmend in den Hintergrund. Die ständige Förderung der Investitionen hat bereits oft zu wahnsinnig anmutenden Verhältnissen geführt. Mit hysterischem Übereifer wird modernisiert und rationalisiert und dabei der Produktionsaufwand so manches Mal nur aufgebläht. Die Verherrlichung der Automatisierung hat vielerorts den Blick zur Realität vernebelt. Was nützt der Einsatz immer neuer leistungsfähigerer Maschinen, wenn der dabei investierte Arbeitsaufwand größer ist als das spätere Einsparvolumen?

 

Manipulierte Marktwirtschaft …
Man sollte meinen, das marktwirtschaftliche System zwingt Unternehmer zur Effizienz, Investitionen müssen sich also rechnen und letztlich die Herstellung der Waren verbessern und verbilligen.
Prinzipiell würde dies auch funktionieren, gäbe es nicht die Globalisierung und den daraus resultierenden Subventionszwang. Viele neue Maschinen rechnen sich halt nur, weil die Arbeit hierzulande künstlich verteuert wird (durch die Lohnnebenkosten) und Investitionen künstlich verbilligt werden (durch Subventionen und Abschreibungen). Was sich für den Unternehmer rechnet, ist volkswirtschaftlich oft totaler Unsinn.

Hinzu kommt, daß sich schließlich auch Unternehmer vertun und den Rationalisierungseffekt der neuen Geräte und Anlagen oft überschätzen. Das Austauschen neuwertiger Computer oder Maschinen gegen noch leistungsfähigere Modelle entpuppt sich nicht selten als Fehlkalkulation, weil die erwartete Arbeitsersparnis zu optimistisch gesehen und der Umrüstungsaufwand unterschätzt wurden. Und so ist das mit vielen Dingen. Der Siegeszug der Laubsauger läßt sich z. B. mit logischen Argumenten kaum erklären. Die teuren, umweltverpestenden Geräte sind langsamer als jeder alte Besen, trotzdem haben viele Firmen diese lärmenden Nervtöter angeschafft.
Auch die ständigen Renovierungen der Läden sind kontraproduktiv. Sobald die Umsätze etwas heruntergehen, müssen Fassaden und Inneneinrichtungen wieder geändert und auf den neuesten Zeitgeschmack getrimmt werden. Kaum eine Innenstadt, die nicht durch ganzjährigen Baulärm auf sich aufmerksam macht, zum Leidwesen der Anrainer und Kunden. Letztlich dient auch dies alles nicht mehr dem Verbraucher, sondern nur dem Ziel, die Konkurrenz zu verdrängen.

 

Vorsteuerabzug …
Ein großer Teil des deutschen Steueraufkommens wird durch die Mehrwertsteuer aufgebraucht. Auf Waren und Dienstleistungen werden in der Regel 16 % aufgeschlagen, die der Unternehmer an das Finanzamt abführen muß. Aber es wird im Endeffekt immer nur der tatsächlich entstandene „Mehrwert" berücksichtigt - die Firmen können die bereits den Lieferanten gezahlte Mehrwertsteuer von ihrer Steuerlast abziehen. Diese im Prinzip einleuchtende Regelung führt leider auch dazu, das der Prunk und Protz, den sich einige Firmen leisten, zum Teil über eingesparte Steuern vom Staat mitfinanziert werden.

 

Differenzierung
Sinn unseres Steuersystems kann es nicht sein, überflüssige Investitionen gleich mehrfach zu fördern. Deshalb muß endlich einmal darüber nachgedacht werden, ob der Vorsteuerabzug uneingeschränkt gewährt werden muß. Der Verbraucher hat schließlich auch keine Möglichkeit, sich die Mehrwertsteuer erstatten zu lassen. Und objektiv gesehen haben viele Anschaffungen und Ausgaben der Firmen einen starken Konsumcharakter und dienen mehr dem Imponiergehabe der Firmen als der Ertragssteigerung.

 

Ein Beispiel …
Was würde z. B. geschehen, wenn künftig Ladenrenovierungen nur noch als Unkosten absetzbar wären, die Vorsteuer aber nicht extra erstattet würde? Es würde natürlich weniger häufig umgebaut und erneuert, die vorhandenen Werte und Einrichtungen würden länger und besser genutzt. Trotz der entfallenden Steuersubvention würden aber die Verbraucherpreise eher sinken, da überflüssige Kosten eingespart werden. Der Staat könnte mit den neuen Steuereinnahmen zudem die Lohnnebenkosten senken, was die Herstellung der Produkte wiederum verbilligt.

Natürlich würden zunächst einmal Händler, Handwerker und Ladeneinrichter Sturm laufen gegen die steuerliche Verschlechterung. Tatsächlich aber entstünden den Händlern keine Nachteile, weil es die Konkurrenz gleichermaßen trifft und der Wettbewerb (und nicht die Steuerquote) die Gewinnspanne reguliert. Zwar würden Handwerker durch die Neuregelung einige Aufträge verlieren, auf der anderen Seite würden sie aber auch profitieren von den sinkenden Lohnnebenkosten (was die Schwarzarbeit und „Eigenleistung" eindämmt). Außerdem darf man vom Staat nicht verlangen, daß er überflüssige Arbeiten ewig fördert.

 

Andere Beispiele …
Auch der Vorsteuerabzug von Gewerbemieten sollte einige Überlegungen wert sein. Die geltende Praxis führte zum Anheizen der Mietkosten, in guten Lagen kostet ein qm Ladenfläche bereits 200 - 300 DM im Monat. Wenn der Vorsteuerabzug für Gewerbemieten entfällt, so bedeutet das nicht nur zusätzliche Steuereinnahmen (die wiederum zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden könnten). Die zusätzliche steuerliche Belastung erzeugt einen Preisdruck - die Nettomieten werden vielerorts sinken. Die Kosten für die Ladenmieten würden real also kaum steigen - vielmehr würden die spekulativen Gewinne bei Immobilien zurückgehen.

Fragwürdig ist auch der Vorsteuerabzug bei der Werbung. Muß er wirklich sein und muß man ewig daran festhalten? Werbung ist das wichtigste Instrument im ruinösen Verdrängungswettbewerb und verschlingt einen immer größer werdenden Teil des Bruttosozialproduktes - warum soll der Staat das durch Steuergeschenke noch fördern? Der Mensch ist bereits heute der zeitraubenden Reklameflut kaum noch gewachsen. Ein halbierter Werbeaufwand würde der Volkswirtschaft eher nützen als schaden.

 

Vorsteuerabzug bei Zulieferern …
Wirklich heikel wird es beim Thema Vorsteuerabzug und Zulieferern. Hier ist die Sachlage komplizierter und man sollte erst einen Erfolg vorhergehender Vorschläge abwarten, bevor man sich an diesen Bereich heranmacht.

Tatsache ist, daß immer mehr Hersteller Arbeitsbereiche aus ihrem Unternehmen herauslösen und an Subunternehmer vergeben. Im Endeffekt führt das zur Lohndrückerei und Scheinselbständigkeit. Würde die Vorsteuer von den Zulieferern nicht mehr generell erstattet, würde sich das Auslagern oft gar nicht rechnen. In Bereichen, wo es keine globale Konkurrenz gibt, also z. B. bei den Zeitungsbetrieben, könnte eine Neuregelung schon heute ausprobiert werden. Würden Zulieferungen aus dem Ausland ebenfalls mit einer nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer belegt, würden auch hier die Karten neu gemischt. Die meisten Teilauslagerungen wären dann unrentabel.

 

Fazit
Die Firmen selbst verschlingen einen immer höheren Anteil des BIP - dieser künstlich forcierte Trend muß gestoppt werden. Der Produktionsfortschritt sollte dem Menschen dienen und nicht den übertriebenen Luxus oder den Gigantismus der Konzerne fördern.
Würden die Unternehmen durch die Reform zu sehr belastet? Sicher nicht, wenn die zusätzlichen Steuereinnahmen vernünftig, also zur Absenkung der Lohnnebenkosten, verwendet würden. Dann würde sich die deutsche Leistungsfähigkeit verbessern und unterm Strich würden zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
Zudem könnte es vielen Unternehmen nicht schaden, wenn ihr Blick fürs wirklich Rentable geschärft würde. Subventionen und Steuergeschenke verzerren aber bisher die Realität und führen zur Verschwendung.

 

Ergebnisse der Leserbefragung:

Die Frage: „Halten Sie eine vorsichtige Einschränkung des generellen Vorsteuerabzugs (Firmen dürfen heute alle in ihren Unkosten enthaltene Mehrwertsteuern wieder verrechnen), für richtig?"
Die Antworten: 56 % „ja", 35 % „nein", 9 % „ich weiß nicht"

Die Frage: „Würden Sie es begrüßen, wenn Firmen z. B. die bei den Kosten für Reklame anfallende Mehrwertsteuer tatsächlich auch zahlen müßten (also nicht von ihrer Steuerschuld wieder abziehen könnten)?"
Die Antworten: 91 % „ja", 2 % „nein", 7 % „ich weiß nicht"

 

 

 

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© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung im Oktober 1999

 


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Anmerkung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

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Die geballte Kompetenz aus Politik und Wirtschaft hat Deutschland in die totale Ex- und Importabhängigkeit mit langen Lieferketten geführt. Seit 1980 sinken nun die Reallöhne und Renten! Globalisierung und EU hingen 10 Jahre am Tropf einer die Sparer enteignenden 0-Zins-Politik.
Hat sich also die Establishment-Politik der Vergangenheit bewährt? Darf es keine fundamentale Kritik an der Politik des Establishments und seiner staatlichen Medienpropaganda geben?